Praxis für Allgemein- und Gefäßchirurgie Simone Rentzsch

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Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die wissenschaftliche und die populärwissenschaftliche Literatur zur Prävention ist nahezu unübersehbar. Sowohl bei den Themen als auch bei den Quellen musste daher eine Auswahl getroffen werden. Es wird Position zu Fragen von Prävention bezogen, Vorschläge werden unterbreitet. Auf Stellungnahmen zu Aktivitäten und Vorhaben Dritter wurde verzichtet.

Warum Prävention. Prävention ist ein Wert an sich. Prävention kann u. a. Todesfälle vermeiden, Arbeitsunfähigkeit verhindern, die Lebensarbeitszeit verlängern, Krankheiten in höhere Lebensalter verschieben, die Lebensqualität erhöhen und das Leben verlängern (Anlage 1).

Prävention spart kein Geld. Zwar können z. B. im Einzelfall durch präventive Maßnahmen Behandlungskosten gespart werden, doch gibt es weltweit keine Methodik, mit der das Einsparvolumen durch Prävention für ein Gesundheitswesen insgesamt errechnet werden kann. Ein monetärer, ein ökonomischer, ein volkswirtschaftlicher Nutzen von Prävention kann möglich sein, ist wissenschaftlich jedoch nicht nachgewiesen und wohl auch nicht nachweisbar (Problem der Saldierung und Diskontierung ). So müsste z. B. auch eine Gegenrechnung von Kosten erfolgen, die nach Beendigung der Erwerbsarbeit durch Ausgaben für Krankheit für eine nicht vorhersehbare Zeit von Lebensjahren entstehen (Anlage 2).

Definition. Es gibt mehrere Begriffe für Prävention und Definitionen von Prävention (Anlage 3). Gegenstand hier ist die primäre Prävention (z. B. aktive Schutzimpfung, Förderung gesunder Verhaltensweisen, Verhütung von Krankheit) und die sekundäre Prävention (Früherkennung von Krankheiten).

Stand der Prävention in Deutschland. Zwar wird Prävention wohl von allen Verbänden, Organisationen und Institutionen und von allen medizinisch tätigen Personen im Gesundheitswesen betrieben, vom Arzt und Zahnarzt, vom Apotheker, von Krankenpflegepersonen und vom Physiotherapeuten, doch fehlt ein einheitliches Konzept, und vor allen Dingen fehlt es an Geld. Prävention braucht Investition. (Anlage 4 „Zum Stand der Prävention in Deutschland“. Anlage 5 „Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung“. Anlage 6 „Aktuelle Aktivitäten der Bundesregierung in der Prävention“).

Medizinische Bemerkungen. In der Medizin wird von einem tödlichen Quartett von Krankheiten und Symptomen gesprochen

  • Diabetes
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Übergewicht
  • Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte)

Diese Krankheiten und Symptome sind zu einem großen Teil verhaltensbedingt. Sie können durch Verhaltensänderungen positiv beeinflusst werden. Übergewicht nimmt allgemein zu, besonders auch bei Kindern. Es wird damit gerechnet, dass rund 20 Prozent aller Kinder Übergewicht haben (Anlage 7). Bewegung, sportliche Betätigung ist eine der wesentlichen Grundlagen für Gesundheit in jedem Lebensalter. Der Bewegungsmangel nimmt jedoch zu, besonders auch bei Kindern (Fernsehen, Ernährung). Der Schulsport ist weit von der Forderung nach einer täglichen Sportstunde entfernt (Anlage 8). Alkohol- und Tabakkonsum gelten weltweit als direkte oder indirekte Ursache vieler Erkrankungen, von vorzeitigen Todesfällen und von einer Verkürzung der Lebenserwartung. Die Nachrichten über einen steigenden Alkohol- und Tabakkonsum nehmen zu. Das Einstiegsalter bei Alkohol und Tabak sinkt. So greifen immer mehr Kinder in einem immer früheren Lebensalter zur Zigarette. Alkohol und Nikotin sind bei Kindern Einstiegsdrogen. Enthaltsamkeit von Alkohol und Tabak im Kindes- und Jugendalter reduziert die Zahl Drogenabhängiger. Der Alkohol- und Tabakkonsum ist ursächlich für hohe Kosten in unserer Gesellschaft (Anlage 9).

Prävention – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Das andere Konzept

Den Menschen ist alles zuteil geworden,
sich selbst zu erkennen, und gesund zu leben.

 

Heraklit (etwa 340 bis 380 v. Chr.), Griechischer Philosoph

Das Gefühl von Gesundheit
erwirbt man sich nur durch Krankheit.

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Deutscher Physiker

Einführung. Das Wort von Heraklit „Den Menschen ist alles zuteil geworden, sich selbst zu erkennen, und gesund zu leben“ ist zwar ein Wunschbild, trotzdem aber ein gesundheitspolitisches Ziel. Das Wort vonGeorg Christoph Lichtenberg „Das Gefühl von Gesundheit erwirbt man sich nur durch Krankheit“ ist nur die halbe Wahrheit. Ein Gefühl von Gesundheit kann auch durch präventives Verhalten entstehen. Dies weiß, wer sein Gewicht reduziert hat, dies weiß, wer das Rauchen aufgegeben hat, und dies weiß auch, wer sich sportlich betätigt und von körperlicher Anspannung erschöpft ist. Hierzu gehört aber auch die Erkenntnis, dass es keine verordnete Gesundheit gibt oder geben kann. Gesundheit muss persönlich verantwortet werden. Gesund bleiben, die Gesundheit stärken und im Krankheitsfall wieder zu gesunden, ist ohne eigenes Wollen, ist ohne eigene Mitwirkung letztlich nicht erreichbar. Prävention hat dabei die Aufgabe von Wissensvermittlung und Motivation.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dies bedeutet:

  • Betroffen ist jedermann. Für die Bevölkerung insgesamt ist Prävention nur wirksam, wenn jeder von Prävention erreicht und für eine gesunde Lebensweise motiviert wird. Ein Konzept für Prävention muss daher alle Bevölkerungsgruppen erreichen. Prävention beginnt in der Familie, muss Aufgabe von Kindergarten und Schule sein, wendet sich an den Erwachsenen und hat auch im Alter seine Bedeutung.
  • Gesamtgesellschaftliche Finanzierung. Prävention braucht Geld, braucht Investition. Der Alkohol- und Tabakkonsum verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten und belastet die gesetzliche und die private Krankenversicherung in Milliardenhöhe (Anlage 9). Ein mäßiger Alkoholkonsum braucht keine gesundheitlichen Folgen zu haben. Bei Tabak ist jeder Konsum gesundheitsschädlich, es gibt keine Toleranzgrenze. Da in der Summe sowohl der Alkohol- als auch der Tabakkonsum die Gesundheit schädigen, ist die Forderung, sowohl den Alkohol- als auch den Tabakkonsum höher zu besteuern, gesundheitspolitisch gerechtfertigt.

Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer. Es wird vorgeschlagen, die Alkoholsteuer um 70 Prozent und die Tabaksteuer um 100 Prozent zu erhöhen und eine Weinsteuer einzuführen (Einzelheiten Anlage 10).
Hochgerechnet auf das Jahr 2003 ergeben sich damit höhere Steuereinnahmen von rd. 9 Milliarden Euro. Diese 9 Milliarden Euro werden wie folgt verteilt:

  • 1 Milliarde Euro zur Förderung von Prävention
  • 8 Milliarden Euro für die finanzielle Entlastung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung für die durch den Alkohol- und Tabakkonsum bedingte Belastung.

Die Mittel werden nach dem Grundsatz „Das Bestehende stärken“ wie folgt verteilt:

  • Die Kreise erhalten für die Präventionsaufgaben ihrer Gesundheitsämter zweckgebunden 10 € je Einwohner, insgesamt rund 820 Millionen €.
  • Jedes Bundesland erhält zur Finanzierung der landesspezifischen Gesundheitsförderung und damit insbesondere zur Förderung von Landesvereinigungen und Landesarbeitsgemeinschaften für Gesundheit und Gesundheitsförderung zweckgebunden 1 € je Einwohner, insgesamt 82 Millionen €.

Die in der Prävention bundesweit tätigen Einrichtungen und Organisationen können insbesondere durch den Mangel an finanziellen Mitteln ihre Möglichkeiten nicht voll entfalten. Diese Organisationen werden mit insgesamt 100 Millionen Euro finanziell gestärkt. Es sind dies:

  • Bundesvereinigung für Gesundheit e. V. (Anlage 11)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Anlage 12)
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (Anlage 13)
  • Deutscher Sportbund für Aufgaben des Breitensports (Anlage 14)

Acht Milliarden Euro erhalten die gesetzliche und die private Krankenversicherung aufgeschlüsselt dergestalt, dass jede Krankenkasse und jede private Krankenversicherung für jeden Versicherten den sich aus dem Gesamtbetrag von acht Milliarden Euro ergebenden Anteil erhält. Die Steuereinnahmen können sich durch die Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer verringern. Dies wäre gesundheitspolitisch ein Erfolg, da der Rückgang an Steuern mit einem Rückgang des Alkohol- und Tabakkonsums korrespondiert. In diesem Fall würde unverändert ein Betrag von einer Milliarde Euro für die Prävention zur Verfügung gestellt, womit auch Planungssicherheit für Präventionsmaßnahmen verbunden wäre. Die Finanzierung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung würde sich entsprechend verringern.

Die Beweise für die gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Alkohol und Tabak sind eindeutig und erdrückend. Der Konsum nimmt zu, das Eintrittsalter sinkt. Es ist nicht zu verantworten, auf diese Entwicklung nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu reagieren. Ein Mittel ist die Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer und die Verwendung der zusätzlichen Steuereinnahmen sowohl für die Prävention als auch für die finanzielle Entlastung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung. Eine derartige Steuererhöhung ist nicht vergleichbar mit Steuererhöhungen anderer Art, da im Vordergrund dieser Steuererhöhung die Eindämmung des Alkohol- und Tabakkonsums steht und ein zumindest partieller Ausgleich von finanziellen Folgen, die durch den Alkohol- und Tabakkonsum entstehen.

Es wird argumentiert, dass es haushaltsrechtlich nicht möglich ist, eine zweckgebundene Steuer einzuführen. So richtig diese Feststellung ist, so falsch ist der Hinweis, dass es nicht möglich ist, eine Steuer zu erhöhen und die Steuereinnahmen zweckgebunden zu verwenden. Jedes Parlament kann beschließen, bestimmte Steuereinnahmen zweckgebunden zu verwenden. Beispiele sind die Lotto- und Totoeinnahmen der Länder, die u. a. der Sportförderung dienen; die Ökosteuer, die mit dem einzigen Ziel eingeführt worden ist, die Rentenversicherung zu entlasten; und die Zigarettensteuer, mit der, auch als Begründung für die Einführung dieser Steuer, zusätzliche Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit finanziert werden sollen. Es geht also, wenn es politisch so gewollt ist. Dabei erscheint es nicht vertretbar, die Zigarettensteuer zu erhöhen, um die innere und äußere Sicherheit zu finanzieren, die Belastung der GKV und der PKV durch den Alkohol- und Tabakkonsum sowie die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung des Alkohol- und Tabakkonsums jedoch zu ignorieren.

Dezentrale Organisation: Das Gesundheitsamt. Prävention benötigt zentrale und dezentrale Aktivitäten. Der Schwerpunkt der Präventionsarbeit muss dezentral organisiert sein. Für die dezentrale Organisation der Prävention wird das Gesundheitsamt vorgeschlagen. Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und dabei insbesondere dem Gesundheitsamt sind durch Landesgesetze über den Öffentlichen Gesundheitsdienst Aufgaben von Prävention und Gesundheitsförderung übertragen worden. Dieses Konzept geht davon aus, dass ein regionaler Ansatz von Prävention und Gesundheitsförderung erforderlich ist, der sich an den regional unterschiedlichen Anforderungen von Prävention und Gesundheitsförderung orientiert. Keine Region darf unversorgt sein. Die akuten und die sich verändernden Anforderungen an Prävention und Gesundheitsförderung können in Nordfriesland anders sein als im Bayerischen Wald. Prävention und Gesundheitsförderung haben sich auf diese unterschiedlichen Anforderungen einzustellen. Das Gesundheitsamt kennt die besonderen gesundheitlichen Probleme seiner Region. Es kann aufsuchende Prävention betreiben so, wie es in der aufsuchenden Sozialfürsorge und Suchtbekämpfung geschieht. Damit werden auch sozial schwache Gruppen erreicht, die im Allgemeinen selten von Präventionsangeboten Gebrauch machen. Das Gesundheitsamt kann als neutrale und nur dem Gemeinwohl verpflichtete Institution alle Beteiligten zusammenführen. Es sichert Kontinuität. Das Gesundheitsamt ist auf der kommunalen Ebene der geeignete Kristallisationspunkt einer umfassenden Prävention. Es ist in vielen Kreisen dieser Kristallisationspunkt schon heute.

Das Gesundheitsamt wird aufgrund seiner vom Wettbewerb unabhängigen Stellung als besonders geeignet angesehen, auf regionaler Ebene eine Koordinierungs- und Mittlerfunktion als neutraler Sachverwalter der gesundheitlichen Belange der Bevölkerung zu übernehmen. Als vorrangige Aufgabe wird die Koordination von Angeboten zu Prävention und Gesundheitsförderung und die Kooperation mit allen Institutionen angesehen, die im Bereich von Prävention und Gesundheitsförderung tätig sind. Dem Gesundheitsamt wird dabei eine Moderationsfunktion zugewiesen. Instrument der Koordination können Gesundheitskonferenzen auf örtlicher und überörtlicher Ebene sein.

Das Gesundheitsamt ist auf diese Aufgabe nicht durchgehend vorbereitet. Es muss sich für diese Aufgabe rüsten. Die für das einzelne Gesundheitsamt mit dem hier vorgelegten Konzept vorgesehenen finanziellen Mittel werden es jedem Gesundheitsamt ermöglichen, diese Aufgabe zu erfüllen.

Vielfalt fördern, dokumentieren. Prävention braucht Vielfalt; Prävention braucht Kreativität. Erfolgreiche Prävention braucht aber auch Auswertung und Evaluation. Aus diesem Grunde sollten die Sammlung und Verbreitung von Informationen und von Aktivitäten in der Prävention sowie Fragen der Evaluation von Präventionskonzepten sichergestellt werden. Hierfür bieten sich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf an.

Anlagenverzeichnis
Anlage 1 Warum Prävention
Anlage 2 Prävention spart kein Geld
Anlage 3 Definition
Anlage 4 Zum Stand der Prävention in Deutschland
Anlage 5 Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anlage 6 Aktuelle Aktivitäten der Bundesregierung in der Prävention
Anlage 7 Übergewicht
Anlage 8 Bewegung
Anlage 9 Alkohol- und Tabakkonsum
Anlage 10 Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer
Anlage 11 Bundesvereinigung für Gesundheit e. V.
Anlage 12 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Anlage 13 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
Anlage 14 Deutscher Sportbund

Anlage 1
Warum Prävention
Es geht nicht um die Frage, Prävention oder nicht Prävention, sondern es geht um die Frage, warum Prävention und damit um die Begründung für Prävention.
Prävention ist ein Wert an sich. Prävention kann

  • Todesfälle vermeiden (Beispiel: aktive Schutzimpfung)
  • eine frühzeitige und oft rechtzeitige Behandlung ermöglichen (Beispiel: Früherkennungsuntersuchungen z. B. auf Krebs oder Diabetes
  • Behinderungen verhüten
  • Arbeitsunfähigkeit verhindern oder verzögern
  • die Lebensarbeitszeit verlängern
  • eine Frühverrentung aus gesundheitlichen Gründen verhindern oder hinausschiebenKrankheiten und besonders chronische Krankheiten in höhere Lebensalter verschieben
  • das Leben verlängerndie Lebensqualität erhöhen
  • allgemein den Gesundheitszustand einer Bevölkerung verbessern.

Jede einzelne dieser Begründungen rechtfertigt Prävention.

Anlage 2
Prävention spart kein Geld
Es gibt zahlreiche Aussagen vorzugsweise von Politikern und von Vertretern von Verbänden, wonach durch Prävention, durch Förderung von Gesundheit, durch Früherkennung und durch Vermeidung von Krankheit Geld gespart werden kann und Kosten im Gesundheitswesen gesenkt werden können bis hin zu der Feststellung, dass „enorme Summen eingespart werden können“ (Rolf Stuppart, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Innungskrankenkassen, 2000). Es werden aber auch konkrete Summen genannt, jedoch ohne Begründung oder Berechnung oder ohne einen wissenschaftlich nachprüfbaren Beweis. Hierfür zwei Beispiele:

  • „Theoretisch bei nicht saldierter und nicht diskontierter Betrachtung lassen sich rund 25 – 30 Prozent der künftigen Gesundheitsausgaben in Deutschland durch langfristige Prävention vermeiden“ (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten 2000/2001 Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit).

Das Ansehen, das der Sachverständigenrat genießt, hat dazu geführt, dass die Aussage, Prävention kann 25 – 30 Prozent der Gesundheitsausgaben im Gesundheitswesen sparen, vielfach zitiert worden ist, allerdings ohne die Einschränkung „bei nicht saldierter und nicht diskontierter Betrachtung“. Im Übrigen liefern die vom Sachverständigenrat angeführten Quellen keine wissenschaftliche Rechtfertigung für diese Aussage.

  • „Würde nun das Konzept der breiten Prävention von jedem Einzelnem angewandt, könnte das Gesundheitswesen um rund 110 Milliarden Euro jährlich entlastet werden“ (Berufsverband Deutscher Präventologen „Experten sehen Sparpotenzial von 110 Milliarden Euro“. Die Welt vom 15.01.2003).

Die wohl einzige kritische Stimme über den Nutzen von Prävention kommt von Prof. Walter Krämer, Universität Dortmund. Nach Krämer ist Prävention sogar ein Verlustgeschäft, da erfolgreiche Prävention nur Platz macht für andere Krankheiten (Ärzte Zeitung vom 16./17.11.2002).

Das Kosten- und Einsparargument sollte keine Begründung von Prävention sein. Es ist eher gefährlich, Prävention mit der durch Prävention erzielten Kosteneinsparung zu begründen, auch wenn Auswirkungen von Prävention wie Einsparung von Behandlungskosten, gerettetes Leben durch eine aktive Schutzimpfung, Verschiebung vonchronischen Erkrankungen in ein höheres Lebensalter oder Früherkennung von Krankheiten eine ökonomisch und volkswirtschaftlich relevante Bedeutung insbesondere in der Zeit des Erwerbslebens haben können. Ein saldierter und diskontierter ökonomischer Nutzen z. B. durch die Gegenrechnung von Kosten, die nach Beendigung der Erwerbsarbeit durch Ausgaben für Krankheit für eine nicht vorhersehbare Zeit von Lebensjahren entstehen, ist jedoch weder im Einzelfall noch für eine Bevölkerung insgesamt möglich. Es gibt weltweit keine Methodik, mit der ein derartiger Nachweis erbracht werden kann. Es liegt auch für kein Land der Welt eine derartige wissenschaftlich begründete Berechnung vor.

Anlage 3
Definition
Gesundheitserziehung. Seit Beginn von Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich eines gesundheitsfördernden Verhaltens verwandter umfassender Begriff für Prävention. Mit der kritischen Diskussion über Inhalt und Bedeutung von „Erziehung“ besonders bei Erwachsenen ist „Gesundheitserziehung“ durch andere Bezeichnungen abgelöst worden. Primäre Prävention ist die Förderung einer gesundheitsgerechten Verhaltensweise zur Stärkung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheit. Besonders wirkungsvoll ist als Maßnahme der primären Prävention die aktive Schutzimpfung mit der Vermeidung von Krankheit, Tod, Behinderung und von Epidemien, z. B. die Schutzimpfung gegen Kinderlähmung. Sekundäre Prävention ist die gezielte Früherkennung von Krankheiten, z. B. von Krebs, Diabetes oder Bluthochdruck. Tertiäre Prävention ist im weitesten Sinne die Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit oder einer Minimierung von Folgeschäden, aber auch die Rehabilitation zur Förderung der Leistungsfähigkeit.

Gesundheitsförderung ist der umfassende Begriff für alle Maßnahmen, die Gesundheit fördern und Krankheit verhüten. Das Konzept der Gesundheitsförderung ist von dem Europäischen Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt worden. Es findet seinen programmatischen Ausdruck in der 1986 verabschiedeten Ottawa-Charta der WHO und ist in zahlreiche Gesundheitssysteme eingegangen. In Deutschland wurde dieses Konzept 1991 von der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) aufgegriffen.
Verhaltensprävention hat zum Ziel, eine gesundheitsfördernde Verhaltensweise zu erreichen und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen auszuschalten. Die Verhaltensprävention ist personenbezogen.
Verhältnisprävention ist eine gesundheitsgerechte Gestaltung des Lebensumfelds des Menschen, von der Luftreinhaltung über die Unfallverhütung im Betrieb und auf der Straße bis hin zu gesunden Wohnformen. Die Verhältnisprävention ist umweltbezogen.

Anlage 4
Zum Stand der Prävention in Deutschland
Es gibt in Deutschland weder ein umfassendes Konzept für Prävention noch einen umfassenden Überblick über den Stand der Prävention und damit über präventionsorientierte Aktivitäten. Es dürfte jedoch unbestritten sein, dass es in Deutschland vielfältige Aktivitäten in der Prävention gibt. Wohl keine Organisation, keine Institution, kein Verband und keine medizinisch handelnde Person im Gesundheitswesen ist nicht auch präventiv tätig, vom niedergelassenen Arzt und Zahnarzt über die Apotheke, das Krankenhaus und die Rehabilitationseinrichtung bis hin zum Gesundheitsamt, zu Selbsthilfegruppen und zu den Berufsgenossenschaften. Auch die gesetzliche Krankenversicherung betreibt Prävention (Anlage 5). Forschung in der Prävention findet jedoch kaum statt, und die Auswirkung und Evaluierung von Präventionsmaßnahmen ist die Ausnahme. Auf der Bundesebene sind in erster Linie drei Verbände oder Institutionen in der Prävention tätig:

  • Bundesvereinigung für Gesundheit e. V. (Anlage 11)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Anlage 12)
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (Anlage 13)

Daneben kommt dem Deutschen Sportbund mit 27 Millionen Mitgliedern hinsichtlich der Förderung des Breitensports eine besondere Bedeutung in der Prävention zu (Anlage 14).

Anlage 5
Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung
Genereller Auftrag. Der gesetzlichen Krankenversicherung sind im Sozialgesetzbuch V (SGB V) Aufgaben der Primärprävention und der Sekundärprävention übertragen.

Primärprävention. Zur Primärprävention heißt es in § 20 SGB V:

  • „Die Krankenkasse soll in der Satzung Leistungen zur primären Prävention vorsehen, die die in den Sätzen 2 und 3 genannten Anforderungen erfüllen. Leistungen zur Primärprävention sollen den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen.“
  • „Die Krankenkassen können den Arbeitsschutz ergänzende Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung durchführen“.

Die Ausgaben der Krankenkassen für die Primärprävention sollen im Jahr 2000 für jeden ihrer Versicherten 2,56 Euro umfassen und in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB V angepasst werden. Demnach steht den Krankenkassen im Jahr 2003 bei 2,66 Euro je Versichertem und 70.783 00 Versicherten (2002) ein Gesamtbetrag von 188.282 780 Euro oder rund 190 Millionen Euro zur Verfügung.

Sekundärprävention. Die Sekundärprävention in der GKV umfasst alle Vorsorgeuntersuchungen und alle Früherkennungsmaßnahmen. Es sind dies im Wesentlichen

  • Medizinische Vorsorge für Mütter
  • Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen
  • Verhütung von Zahnerkrankungen
  • Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit
  • Früherkennung von Krebserkrankungen

Die Ausgaben der GKV für Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsmaßnahmen liegen bei gut 700 Millionen Euro jährlich. Die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und an Früherkennungsmaßnahmen ist unzureichend. So haben im Jahr 2000 nur 48,1 Prozent der weiblichen Versicherten und 18,6 Prozent der männlichen Versicherten an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen teilgenommen. Bundesweite Ergebnisse von Früherkennungsuntersuchungen liegen nicht vor. Von allen Seiten wird dieser Zustand beklagt („Ergebnisse zur Krebsfrüherkennung? Nicht vorhanden“. Ärzte Zeitung vom 14.01.2003).

Vorschlag. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Für die Finanzierung von Prävention wird ein Konzept vorgelegt. Bei begrenzten Ressourcen muss sich die gesetzliche Krankenversicherung auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: die Behandlung von Krankheiten. Dies bedeutet, dass Leistungen, die nicht der Behandlung von Krankheiten dienen, im Leistungskatalog der GKV gestrichen werden (Fremdleistungen, versicherungsfremde Leistungen). Dies bedeutet aber auch eine Begrenzung im Rahmen von Prävention.
In der primären Prävention sollten sich die Maßnahmen der Krankenkassen auf die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands ihrer Versicherten konzentrieren. Hierzu gehören Mitgliederinformationen, hierzu gehört aber in erster Linie die Mitwirkung der Krankenkassen in den nach dem hier vorgelegten Konzept dezentral und kreisbezogen organisierten Maßnahmen einer umfassenden Gesundheitsförderung. In diesem Rahmen sollten die in § 20 SGB V ausgewiesenen Mittel zur primären Prävention vorrangig eingesetzt werden. Die aktive Schutzimpfung ist Aufgabe der GKV.

Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsmaßnahmen und damit die sekundäre Prävention sind immanenter Bestandteil der Aufgaben der GKV. Sie dienen in erster Linie der frühzeitigen Erkennung von Krankheit oder Behinderung und damit der rechtzeitigen Einleitung von Behandlungsmaßnahmen. Die unzureichende Beteiligung insbesondere an Früherkennungsmaßnahmen ist für die Krankenkassen und ihre Verbände genauso wie für die Kassenärztlichen Vereinigungen und für die Kassenärztliche Bundesvereinigung und damit auch für die gemeinsame Selbstverwaltung eine Aufforderung, Konzepte für die Erhöhung der Beteiligung an Vorsorgeuntersuchungen und an Früherkennungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Das nahezu vollständige Fehlen einer Auswertung von Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsmaßnahmen ist ein nicht akzeptabler Zustand. Jede Verbesserung einer Situation setzt eine Analyse der tatsächlichen Situation, eine Evaluation, voraus. Auch hier ist die gemeinsame Selbstverwaltung gefordert, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Jede Krankenkasse soll das ihr im Rahmen von § 20 SGB V zustehende Geld für Primärprävention für Belange der eigenen Krankenkasse einsetzen. Es kann nicht Aufgabe von Krankenkassen sein, hiervon Geld für einen Gemeinschaftsfonds einzusetzen, wie es im Eckpunktepapier der Konsensverhandlungen vorgesehen ist.

Anlage 6
Aktuelle Aktivitäten der Bundesregierung in der Prävention

Das für Prävention zuständige Ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) hat auf Grundlage der Empfehlungen des „Runden Tisches“ zur Stärkung der Prävention vom 22. April 2002 in einer gemeinsamen Erklärung vom 11.07.2002 die Gründung des „Deutschen Forums Prävention und Gesundheitsförderung“ bekannt gegeben. Die Erklärung hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

„Die unten aufgeführten Verbände, Institutionen, Behörden, Körperschaften und Einrichtungen - vertreten durch die bei der Gründungsversammlung am 11. 7. 2002 anwesenden Repräsentanten - gründen hiermit das
Deutsche Forum Prävention und Gesundheitsförderung und erklären dadurch ihre Bereitschaft, aktiv an seiner Arbeit mitzuwirken. Sie verabreden, ihre Mitgliedschaft im Forum auf der Basis einer abgestimmten Rahmenvereinbarung zu dokumentieren. Das Deutsche Forum Prävention und Gesundheitsförderung versteht sich als gemeinsame Plattform, die übergreifende Ziele, Inhalte, Maßnahmen und Instrumente der Prävention vereinbart, umsetzt und kommuniziert.“

In den Eckpunkten der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform vom 22. Juli 2003 werden ein Gemeinschaftsfonds für Prävention auf Bundes- und Landesebene und ein Präventionsgesetz angekündigt. Wörtlich heißt es: „Präventionsmaßnahmen und Förderungsmaßnahmen für die Selbsthilfe sollen stärker zwischen den Krankenkassen und mit anderen Beteiligten koordiniert werden. Hierfür soll ein Gemeinschaftsfonds auf Bundes- und Landesebene aus einem Teil der Mittel für diese Maßnahmen gespeist werden. Näheres auch zur Finanzverantwortung regelt ein Präventionsgesetz, das Prävention definieren, eine Vernetzung von Initiativen bewirken, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Prävention schärfen und für eine Intensivierung der Forschung sorgen soll. Bei der Ausgestaltung ist sozialen, regionalen und zielgruppenspezifischen Erfordernissen Rechnung zu tragen.“

Die damalige Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast hatte auf Grund der Tatsache, dass jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche in Deutschland übergewichtig sind, eine Initiative für gesunde Ernährung eingeleitet und am 8. Juli 2003 in Berlin einen Kongress „Kinder und Ernährung“ durchgeführt.

Anlage 7
Übergewicht
Übergewicht (Adipositas) ist nicht nur eine Belastung für den Betroffenen, Übergewicht hat vielfältige Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. Übergewicht ist z. B. ein unterstützender Faktor für Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt. Übergewicht belastet den Kreislauf und die Gelenke, fördert den Bewegungsmangel und führt zu Haltungsschäden und Antriebslosigkeit. Nach übereinstimmenden Beobachtungen nimmt Übergewicht bereits bei Kindern zu. Es wird damit gerechnet, dass rund 20 Prozent aller Kinder Übergewicht haben. Ursächlich sind mangelnde Bewegung, gefördert durch Computer und Fernsehen, und falsche, zu kalorienreiche Ernährung (Fett, Süßigkeiten), aber auch falsche Essgewohnheiten in der Familie.

Auch im Erwachsenenalter nimmt Übergewicht, nimmt Fettleibigkeit zu. Schätzungen gehen davon aus,dass mindestens die Hälfte der Erwachsenen Übergewicht hat, mit steigender Tendenz, und mit einer Zunahme der mit Übergewicht assoziierten Krankheiten. Auch hier sind ursächlich Bewegungsmangel und falsche Ernährung.

Übergewicht ist ein internationales Gesundheitsproblem, ein Problem aller wohlhabenden Staaten und damit aller Industrienationen. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet Übergewicht als eine Epidemie und eines der zehn bedrohlichsten Gesundheitsrisiken, und auch der in der EU für Gesundheit zuständige Kommissar David Byrne spricht von einer „obesity epidemie“ mit potenziell katastrophalen Konsequenzen: Die durchschnittliche Lebenserwartung in der EU kann sinken, während die Ausgaben für Gesundheit explodieren (eurohealth Vol. 9 No 1 Spring 2003).

Anlage 8
Bewegung
Bewegung, sportliche Betätigung ist eine der wesentlichen Grundlagen für Gesundheit in jedem Lebensalter. Die Förderung von Bewegung, von sportlicher Betätigung ist damit ein wesentlicher Bestandteil von Prävention.
Eine wissenschaftliche Aussage über den notwendigen Umfang an Bewegung und an sportlicher Betätigung ist genauso wenig möglich wie eine wissenschaftlich begründete Aussage über das Defizit an Bewegung und sportlicher Betätigung. Gerechtfertigt jedoch ist die Aussage, dass der Bewegungsmangel zunimmt, mit allen damit verbundenen gesundheitlichen Konsequenzen.

In der Förderung des Breitensports kommt dem Deutschen Sportbund (Anlage 14) eine besondere Bedeutung zu. Der Deutsche Sportbund soll nach dem hier vorgelegten Konzept für seine Arbeit im Breitensport finanziell gefördert werden.

Für die Entwicklung gesunder Verhaltensweisen muss dem Schulsport eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Gefordert werden für alle Schularten drei Sportstunden wöchentlich, eine Forderung, die offenbar immer weniger erfüllt wird. Aus gesundheitlicher Sicht sollte täglich eine Stunde Sport auf dem Unterrichtsplan stehen, eine Forderung, die in den skandinavischen Ländern erfüllt ist. Drei Sportstunden wöchentlich sind damit eine Minimalforderung. Die Situation im Schulsport ist uneinheitlich und unübersichtlich. Aus diesem Grund haben der Deutsche Sportbund und die Deutsche Sportjugend eine „Untersuchung der aktuellen Situation des Schulsports in Deutschland“ in Auftrag gegeben. Ergebnisse sollen Ende 2004 vorliegen. Es ist zu hoffen, dass der Schulsport anhand aktueller Daten den Stellenwert erhält, den er in seiner Bedeutung für die Gesundheit von Schulkindern und in der Ausprägung von dauerhaften Verhaltensweisen erhalten muss.

Anlage 9
Alkohol- und Tabakkonsum
Vorbemerkung. Der Alkohol- und Tabakkonsum gilt weltweit als direkte oder indirekte Ursache vieler Erkrankungen, von vorzeitigen Todesfällen und von einer Verkürzung der Lebenserwartung. Die Nachrichten über einen steigenden Alkohol- und Tabakkonsum nehmen zu. Das Einstiegsalter bei Alkohol und Tabak sinkt. So greifen immer mehr Kinder in einem immer früheren Lebensalter zur Zigarette. Alkohol und Nikotin sind bei Kindern Einstiegsdrogen. Enthaltsamkeit von Alkohol und Tabak im Kindes- und Jugendalter reduziert die Zahl Drogenabhängiger. Alkoholmissbrauch und Tabakkonsum sind ursächlich für hohe Kosten in unserer Gesellschaft.

Bei Tabak ist jeder Konsum gesundheitsschädlich. Es gibt beim Tabakkonsum keine Toleranzgrenze. Ein mäßiger Alkoholkonsum braucht dagegen keine gesundheitlichen Folgen zu haben. Aus diesem Grunde könnte von Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch gesprochen werden.

Alkoholkonsum
Alkoholverbrauch. Der Alkoholverbrauch insgesamt wird am Besten durch den Alkoholverbrauch an reinem Alkohol je Einwohner erfasst. Der Alkoholverbrauch in Deutschland ist mit 10,6 Liter im Jahr 1998 und 10,5 Liter im Jahr 2001 relativ konstant geblieben. Der Verbrauch an Bier ist in diesem Zeitraum von 127,5 Liter auf 123,1 Liter, an Schaumwein von 4,7 Liter auf 4,2 Liter und an Spirituosen von 6 auf 5,8 Liter gesunken, an Wein von 18,1 auf 19,7 Liter gestiegen.

Alkoholsteuer. Die Alkoholsteuer gesamt hat sich von rd. 3,6 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf rd. 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2001 verringert. Betroffen von diesem Rückgang sind alle drei Steuerarten (Bier-, Schaumwein- und Branntweinsteuer). Auf Wein wird keine Steuer erhoben.

Im Alkoholverbrauch nimmt Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Der Konsum an Bier, Spirituosen, Wein und Schaumwein in Liter Alkohol lag pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2000 mit 12,1 Litern am höchsten in Luxemburg, gefolgt mit rd. 10 Litern in Portugal, Irland, Frankreich, Deutschland und Spanien. Am wenigsten Alkohol wird in Schweden (4,9Liter), Finnland (7,1 Liter), Italien (7,5 Liter) und Griechenland (8 Liter) getrunken. Der Steuersatz je Hektoliter Alkohol weist mit 645 Euro (Italien) bis 5.046 Euro (Finnland) erhebliche Schwankungen auf. Der Steuersatz in Deutschland liegt bei 1.303 Euro. Neben Deutschland erheben z. B. Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien keine Weinsteuer.

Gesundheitliche Folgen. Die gesundheitlichen Folgen sind insbesondere Bluthochdruck, Leberzirrhose, chronische Pankreatitis, Unfälle/Verletzungen, alkoholtoxisches Delir, alkoholtoxische Demenz, Polyneuropathie, Kleinhirnatrophie und psychosoziale Folgen für das betroffene Individuum und seine Angehörigen.

Volkswirtschaftliche Kosten. Es ist nahezu unmöglich, die volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums exakt zu ermitteln. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen benennt die wirtschaftliche Belastung durch eine Schätzung der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren 1992 auf 5 – 6 Prozent des Bruttosozialprodukts (150-180 Mrd. DM). „Die jährlichen Ausgaben für die Maßnahmen der Krankenkassen und anderer Träger werden auf 30 Mrd. DM geschätzt; noch mal der gleiche Betrag wäre für weitere, nicht gesundheitliche Folgen anzusetzen. Selbst bei zurückhaltender Schätzung der Ausgaben der GKV in der Folge von Alkoholkonsum kommt man auf Beträge, die einen Anteil von 10 % - 20 % an den Gesamtausgaben sicher erscheinen lassen. Zu den Aufwendungen infolge Alkoholkonsums ohne die der Krankenversicherung gehören auch die Kosten für eine Frühberentung, z. B. liegt die Anzahl vorzeitiger Berentung wegen alkoholbedingter Zirrhose bei 2.000 Männern und 500 Frauen im Jahr.“

Das Robert Koch Institut gibt für 1995 eine Belastung der Volkswirtschaft durch alkoholassoziierte Krankheiten von fast 40 Milliarden DM an . Das Bundesministerium für Gesundheit schätzt die Kosten alkoholbezogener Krankheiten auf 20,6 Milliarden Euro pro Jahr . Eine Dissertation aus dem Jahr 2002 kommt ebenfalls auf rd. 20 Milliarden Euro pro Jahr durch alkoholassoziierte Kosten . Eine jüngste Arbeit kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Tabakkonsum
Verbrauch an Tabakwaren. Der Verbrauch an Tabakwaren ist in der Zeit von 1998 bis 2001 für alle Tabakarten (Zigaretten, Zigarren, Zigarillos, Feinschnitt, Pfeifentabak) gestiegen. So wurden in Deutschland im Jahr 2001 rd. 142 Milliarden Zigaretten geraucht, rd. drei Milliarden mehr als im Jahr 2000.

Ausgaben für Tabakwaren. Die Ausgaben für Tabakwaren sind von 1998 bis 2001 von 19,9 Milliarden Euro auf 21,6 Milliarden Euro gestiegen. Trotz Steuererhöhungen für Tabakwaren zu Beginn des Jahres 2002 sind die Ausgaben für Tabakwaren weiter gestiegen.
Tabaksteuer. Die Einnahmen des Bundes aus der Tabaksteuer sind von 11 MilliardenEuro im Jahr 1998 auf 13,8 Milliarden Euro im Jahr 2001 gestiegen. Die Tabaksteuer ist die viertwichtigste Einnahmequelle für den Bundeshaushalt.

Internationaler Vergleich. Der Preis für eine Schachtel Zigaretten liegt im europäischen Vergleich (2003) zwischen rd. 2 Euro in Spanien, Italien, Luxemburg und Portugal und über 6 Euro in Norwegen und Großbritannien. Deutschland liegt mit 3,20 Euro eher im Niedrigpreisniveau. Der Steueranteil liegt z. B. in Großbritannien bei 80 Prozent, in Deutschland bei 75 Prozent und in Luxemburg bei 69 Prozent.
Tod durch Rauchen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich 4,9 Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens. In Deutschland sind es 140 000 (6. Deutsche Nikotinkonferenz in Erfurt, 16. – 17. Mai 2003).

Gesundheitliche Folgen. Die gesundheitlichen Folgen betreffen den gesamten Organismus. Besonders zu nennen sind Lungenkrebs, bösartige Geschwülste imMundhöhlen- und Kehlkopfbereich, Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des Bronchialsystems und Nervenerkrankungen.

Volkswirtschaftliche Kosten. Es ist nahezu unmöglich, die volkswirtschaftlichen Kosten des Tabakkonsums exakt zu ermitteln. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg errechnet für 1993 Ausgaben für tabakkonsumbedingte Gesundheitsleistungen (Morbidität und Mortalität) in Höhe von nahezu 17,5 Milliarden Euro. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für tabakkonsumbedingte Gesundheitsleistungen dürften mehrere Milliarden Euro jährlich betragen.

Beginn des Rauchens immer früher. Weltweit wird beobachtet, dass immer mehr Jugendliche immer früher mit dem Rauchen beginnen, auch in Deutschland. Es wird geschätzt, dass in Deutschland 20 Prozent der Jugendlichen rauchen. Besonders eindrucksvoll ist die Veröffentlichung der Weltbank „Der Tabakepidemie Einhalt gebieten“. Die wichtigsten Aussagen lauten:

  • In Hocheinkommensländern macht die Behandlung tabakbedingter Gesundheitsstörungen zwischen 6 und 15 Prozent der gesamten jährlichen Kosten der Gesundheitsversorgung aus.
  • Die wirksamste Maßnahme, Kinder vom Rauchen abzuhalten, ist die Erhöhung der Tabaksteuer.
  • Mit einer Erhöhung der Tabaksteuer werden auch erwachsene Raucher dazu neigen, weniger zu rauchen, dann aber mehr für die Zigarette zu bezahlen.
  • Eine zehnprozentige Preiserhöhung pro Schachtel senkt die Nachfrage nach Zigaretten in Hocheinkommensländern im Durchschnitt um etwa vier Prozent.
  • Kinder und Heranwachsende reagieren auf Preiserhöhungen stärker als Erwachsene.

Anlage 10
Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer
Auswirkungen einer Erhöhung der Alkoholsteuer um 70 Prozent und der Tabaksteuer um 100 Prozent, Einführung einer Weinsteuer. Die Einnahmen aus der Alkohol- und Tabaksteuer betrugen im Jahr 2002 ca. 17,2 Milliarden €. Der Vorschlag, die Alkoholsteuer um 70 Prozent und die Tabaksteuer um 100 Prozent zu erhöhen, wird durch Anwendung des Mikrosimulationsmodells „Kiel Tax-Benefit Microsimulation Model“ (KiTs) berechnet, dass auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 des Statistischen Bundesamtes beruht. Aus dem Vorschlag ergeben sich zusätzliche Steuereinnahmen von

  • 1,881 Milliarden € an Alkoholsteuern
  • 6,628 Milliarden € an Tabaksteuern.

Die zusätzlichen Steuereinnahmen des Jahres 1998 belaufen sich auf 8,509 Milliarden €. Auf das Jahr 2003 hochgerechnet kann mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von rund 9 Milliarden € gerechnet werden.

Anlage 11
Bundesvereinigung für Gesundheit e. V.
Die Bundesvereinigung für Gesundheit e. V. (BfGe) wurde 1954 gegründet und ist ein gemeinnütziger, politisch und konfessionell unabhängiger Verband mit 112 Organisationen als Mitglied, z. B. Bundesärztekammer, Spitzenverbände der Krankenkassen, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ... . Ziel der BfGe ist es, Gesundheit zu fördern. Gesundheit wird dabei im Sinne der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation umfassend verstanden. Ein positives Gesundheitsverständnis soll Menschen darin unterstützen, ihre Lebensweisen und Lebensbedingungen gesundheitsfördernd zu gestalten.
Die BfGe setzt ihre Ziele nicht unmittelbar um, sondern in Zusammenarbeit mit Multiplikatoren, vor allem mit ihren Mitgliederorganisationen. Dabei geht die BfGe vom Prinzip der Subsidiarität aus, d. h.

  • gewachsene und bewährte Angebote und Strukturen werden aktiv genutzt und weiterentwickelt
  • Kooperationspartner bestimmen selbst Zielsetzung und Themen ihrer Arbeit
  • Unterstützung durch die BfGe mit Ideen, Inhalten, Methoden und Medienarbeit
  • Die Bundesvereinigung ist eine zentrale Vernetzungsinstanz.

Die BfGe wird für ihre satzungsgemäß festgelegten Ziele und Aufgaben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung mit ca. 200.000 € jährlich institutionell gefördert. Davon unabhängig erfolgt die Finanzierung von Projekten aus Bundesmitteln und/oder Sponsorengeldern. Darüber hinaus gibt es seit 1998 den „Förderverein der Bundesvereinigung für Gesundheit e. V.“, der die BfGe in ihren Maßnahmen zur Gesundheitsförderung finanziell unterstützen soll.

Anlage 12
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS). Sie wurde 1967 gegründet und beschäftigt ca. 120 Personen unterschiedlicher Fachdisziplinen. Die Aufgaben der BZgA werden überwiegend aus Bundesmitteln finanziert.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das Ziel, die Bereitschaft zu einem verantwortungsbewussten, gesundheitsgerechten Verhalten und zur sachgerechten Nutzung des Gesundheitssystems zu fördern. Sie führt dazu bundesweite Aufklärungskampagnen durch und stärkt durch Qualitätssicherungsmaßnahmen die Effektivität und Effizienz gesundheitlicher Aufklärung.
Aufgabenschwerpunkte sind:

  • Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen Gesundheitserziehung
  • Ausbildung und Fortbildung der auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung und
  • -aufklärung tätigen Personen
  • Koordinierung und Verstärkung der gesundheitlichen Aufklärung und Gesundheitserziehung im BundesgebietZusammenarbeit mit dem Ausland.

Arbeitsbereiche sind z. Zt. AIDS-Prävention, Suchtprävention, Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Sexualaufklärung/Familienplanung und Förderung der Organ- und Blut-/Plasmaspende.

Anlage 13
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) wurde 1947 als Hauptarbeitsgemeinschaft zur Abwehr der Suchtgefahren gegründet. In der DHS haben sich unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Verbände zusammengeschlossen, die bundesweit in der Suchtkrankenhilfe arbeiten. Trägerverbände sind

  • Verbände der freien Wohlfahrtspflege
  • Abstinenz- und Selbsthilfeverbände
  • Fachverbände.

Wichtigster Partner der DHS ist das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, das die Arbeit der DHS-Geschäftsstelle institutionell fördert. Zweck der DHS ist es,

  • die Interessen der Mitglieder zu koordinieren und gegenüber Bundesregierung, Bundesbehörden und den bundesweiten Zusammenschlüssen der Renten- und Krankenversicherung zu vertreten
  • als bundesweit koordinierende Fachstelle für Suchtfragen Themen der Suchtproblematik aufzugreifen, fachliche Diskussionen anzuregen, Stellungnahmen abzugeben und Richtlinien bzw. Rahmenkonzeptionen zu entwickeln
  • Fachkonferenzen durchzuführen und zu Erfahrungsaustausch und Meinungsbildung beizutragen

Aktivitäten:

  • Förderung und Koordination der fachlichen Arbeit der in der Suchtkrankenhilfe tätigen Verbände, um ein Höchstmaß an Wirksamkeit für präventive und helfende Tätigkeiten zu erreichen
  • enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien
  • Zusammenarbeit mit weiteren Behörden, Institutionen, relevanten Berufsgruppen und Organisationen des In- und Auslands, die auf dem gleichen Arbeitsfeld tätig sind
  • Öffentlichkeitsarbeit und Prävention
  • Anregungen, Förderung, Durchführung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten
  • Archivierung und Dokumentation von Veröffentlichungen und Materialien, Erstellung und Aufarbeitung von Statistiken.

Die DHS befasst sich mit allen Fragestellungen und Problemen in bezug auf Alkohol, Nikotin, Medikamente mit Suchtpotenzial, illegale Drogen und Schnüffelstoffe sowie nicht-stoffgebundene Suchtformen wie Essstörungen und pathologisches Glücksspiel. Die DHS gibt jährlich ein „Jahrbuch Sucht“ heraus.

Anlage 14
Deutscher Sportbund (heute Deutscher olympischer Sportbund)
Der Deutsche Sportbund (DSB, heute DOSB) ist eine regierungsunabhängige Dachorganisation des deutschen Sports. Der DSB hat rund 27 Millionen Mitglieder in mehr als 87 000 Sportvereinen und ist die größte Personenvereinigung Deutschlands und gleichzeitig die größte Sportorganisation der Welt.
Mitgliederorganisationen des Deutschen Sportbunds sind 16 Landessportbünde, 55 Spitzenverbände und Sportverbände mit besonderer Aufgabenstellung, Verbände für Wissenschaft und Bildung sowie Förderverbände.

Unter dem Leitgedanken „Sport für alle“ entwickelt der DSB Programme, mit denen der Sport möglichst jedem Menschen zugänglich gemacht werden soll, unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialer Herkunft. Der Breitensport ist damit eine zentrale Zielsetzung des DSB.

Der Deutsche Sportbund vertritt die Interessen seiner Mitgliederverbände gegenüber Bund, Länder und Gemeinden und in allen gesellschaftspolitischen und kulturellen Bereichen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit gesellschaftspolitischen Institutionen wie Parteien, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, kulturellen Einrichtungen, Gewerkschaften und Wirtschaftsorganisationen. Der Deutsche Sportbund finanziert sich aus Mitgliederbeiträgen, Projektmitteln für den Spitzensport aus dem Bundeshaushalt, Lotterieeinnahmen und Vermarktungslizenzen.

Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Fritz Beske, MPH
Fritz Beske Institut
für Gesundheits-System-Forschung Kiel
Weimarer Straße 8
24106 Kiel

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